Das Wichtigste auf einen Blick:
Unter dem Motto "Begegnung mit psychisch kranken Menschen im öffentlichen Raum – eine Herausforderung für die Behörden und Helfenden" fand vergangene Woche Donnerstag, 21. und Freitag, 22. November, im LIGHTHOUSE Essen, eine zweitägige Fachtagung statt. Gemeinsam mit vielen Fachkräften aus Psychiatrie, Wohnungslosenhilfe und Polizei/Behörde wurde dabei die aktuelle Situation in Essen diskutiert. Ziel war es, ins Gespräch zu kommen und neue Ideen sowie Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Polizeieinsätze in Verbindung mit psychisch kranken Menschen sind nicht vorhersehbar und weichen häufig von den üblichen (gelernten) Situationen ab, wodurch sich die Einsatzkräfte in vielfacher Hinsicht in eine besondere Lage bringen. Das Erkennen von psychischen Erkrankungen und der adäquate Umgang mit Menschen in einem Gesundheits(ausnahme)zustand erfordert ein hohes Maß an kommunikativen Fähigkeiten. Dies wiederum hat Auswirkungen auf das weitere polizeiliche und somit deeskalierende Handeln. Die beiden Fachtage setzten sich im Rahmen von Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Workshops mit dem Thema auseinander. Moderator Jörg Steinkamp begrüßte die rund 173 Teilnehmenden des Fachtages. Stadtdirektor Peter Renzel wies in seinen Grußworten auf die Wichtigkeit hin, Transparenz für das Thema zu schaffen, voneinander zu lernen, neue Perspektiven zu gewinnen und gemeinsam konkrete Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Eine enge Zusammenarbeit über alle Bereiche hinweg sei entscheidend – auch über die Grenzen der Sozialgesetzbücher und verschiedener Sektoren hinausgehend.
Herausforderungen im Zusammenleben von kranken und nichtkranken Menschen
Melany Richter, Ministerialrätin und Referatsleitung Prävention, Psychische Gesundheit, Sucht im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW), wies auf die Herausforderungen im Zusammenleben von kranken und nichtkranken Menschen im gleichen Sozialraum hin. Fehlende gesellschaftliche Akzeptanz von auffallendem Verhalten und Verwahrlosung machten es den Betroffenen schwer, sich im öffentlichen Raum zu bewegen und zu leben. Steigende Bürokratie, zunehmender Fachkräftemangel und zu optimierendes Schnittstellenmanagement seien Hürden für die Versorgung von psychisch kranken Menschen im öffentlichen Raum. Dagegen seien positive Entwicklungen wie der Auf- und Ausbau von aufsuchenden und niedrigschwelligen Hilfen sowie die Verankerung des Diskurses über Lösungen auf allen Ebenen zu verzeichnen. Lobend erwähnte Melany Richter die Stadt Essen, die viele Best Praxis Modelle zur Vernetzung relevanter Player, bedarfsgerechten Versorgung betroffener Personen sowie zu ganzheitlich gedachten Hilfesystemen vorweisen könne. Im kommenden Landespsychiatrieplan werde diese besondere vulnerable Gruppe spezifisch in den Blick genommen.
Gemeinsamer Austausch und Fortbildungsmaßnahmen sind wichtig
Stephan Zenker, Referatsleiter Aus- und Fortbildung der Polizei, Ministerium des Inneren NRW, stellte auf die Wichtigkeit eines gemeinsamen Austausches aller beteiligten Professionen und die daraus abzuleitenden konkreten Handlungsempfehlungen ab mit dem Ziel, die Situation der Betroffenen zu verbessern. Es bedürfe eines wissenschaftlich fundierten Aus- und Fortbildungskonzeptes zur besseren Vorbereitung der Einsatzkräfte auf Einsätze mit psychisch kranken Personen. Die Fort- und Weiterbildungen der Polizei wurden bereits um Module zum Umgang mit psychisch Kranken erweitert. Zudem gäbe es Bausteine, die speziell für Führungskräfte konzipiert wurden. Jutta Henke, Geschäftsführerin und Projektleitung Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e. V. (GISS e.V.), gab tiefe Einblicke über den aktuellen Forschungsstand zu Wohnungslosigkeit und psychischer Erkrankung. Auch bei diesem Vortrag wurde klar – für die Entwicklung von Lösungen braucht es alle relevanten Akteurinnen*Akteure an einem Tisch. Gute Lösungen fänden bereits Anwendung, wie beispielsweise Gemeindepsychiatrische Verbünde oder Fallkonferenzen und strukturiertes Fallmanagement. Mit dem Housing First Ansatz könne eine schnelle Integration von Wohnungslosen mit komplexen Problemlagen in abgeschlossenen und dauerhaften Individualwohnraum mit wohnbegleitenden Hilfen umgesetzt werden. Jutta Henkes Fazit lautet: Es gibt viele Ansatzpunkte, um die Hilfen für psychisch erkrankte Wohnungslose zu verbessern. Die Unterstützung psychisch erkrankter Wohnungsloser sei eine Gemeinschaftsaufgabe und bedarf einer träger- und rechtskreisübergreifenden Kooperation mit Beteiligung der Betroffenen. Dr. Martin Thüne, Kontakt- und Koordinierungsstelle Forschung der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung (FHVD), stellte die hohe Bedeutung polizeilicher Fortbildungsmaßnahmen zu diesem Thema dar. In den letzten Jahren sei ein Ausbau der Fort- und Weiterbildungsangebote zu diesem Thema zu verzeichnen, welche jedoch noch nicht flächendeckend und strukturiert fester Bestandteil der polizeilichen Ausbildung seien.
Kampf gegen Obdach- und Wohnungslosigkeit
Stefan Schrooten (Referat Bekämpfung von Obdach- und Wohnungslosigkeit, Landesinitiative "Endlich ein Zuhause", Soziale Teilhabe am Wohnen, Tafel, MAGS NRW) und Dirk Mesenbrock, Geschäftsführer CVJM Essen Sozialwerk gGmbH, stellten die Landesinitiative gegen Wohnungslosigkeit in Nordrhein-Westfalen "Endlich ein Zuhause" vor, die zum Ziel hat, Wohnungslosigkeit zu vermeiden, Wohnungslose dauerhaft in den Normalwohnraum zu integrieren und die Lebenslagen wohnungsloser Menschen zu verbessern. Dabei spiele die Zusammenarbeit mit der Immobilienwirtschaft eine zentrale Rolle, die in Essen sehr erfolgreich umgesetzt werden könne. Gefördert wird das Projekt vom MAGS NRW. Durch einen neuen Förderaufruf könne die Projektlaufzeit bis Ende 2027 verlängert werden.
Podiumsdiskussion zu von Institutionen bei der Versorgung von psychisch kranken wohnungslosen Menschen
Daran anschließend fanden sich Melany Richter, Dr. Martin Thüne, Prof. Dr. Martin Schäfer (Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik & Suchtmedizin, Evang. Kliniken Essen-Mitte), Dirk Mesenbrock, eine Vertretung aus den Reihen des Landeskriminalamtes und Stadtdirektor Peter Renzel zu einer Podiumsdiskussion zusammen. Diskussionspunkt war unter anderem die gemeinsame Verantwortung von Institutionen, Behörden und Ämtern bei der Versorgung von psychisch kranken wohnungslosen Menschen, die Notwendigkeit sektorenübergreifender Vernetzung relevanter Akteurinnen*Akteure zur Entwicklung von Maßnahmen und Konzepten, die Optimierungen beim Schnittstellenmanagement und der Ausbau polizeilicher Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen.
Den ersten Fachtag beendete Dr. Simone Efkemann (LWL-Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum AG Ethik in der Psychiatrie; BMBF-Forschungsgruppe SALUS) mit ihrem Vortrag zum Thema "Polizei und Psychiatrie im Spannungsfeld von Selbstbestimmung, gesundheitlichem Wohl und Sicherheit". Das abendliche Get-together im Church wurde für weiterführende Gespräche und einen intensiven Austausch zum ersten Fachtag bei Musik und Kulinarik genutzt.
Positives Resümee der Fachtagung
Zu Beginn des zweiten Fachtages teilten sich die Teilnehmenden in sieben Workshops auf und erarbeiteten gemeinsam Inhalte zu unterschiedlichen Fragestellungen. Adressiert wurde das Thema psychische Erkrankungen in Bezug auf verschiedene Settings. So wurde der Umgang mit psychisch Erkrankten am Einsatzort oder psychisch erkrankte Menschen am Essener Hauptbahnhof beleuchtet. Zudem wurden das Projekt "Eins und eins macht drei" sowie das Wohnangebot "Pension Plus" vorgestellt. Andere Workshops befassten sich mit den Herausforderungen der psychiatrischen Versorgung, dem Umgang mit psychisch Kranken aus Sicht der Polizei sowie der Vorstellung von Erfolgsfaktoren bei der Begegnung mit psychisch kranken Menschen. Die Workshops wurden von Fachpersonen aus dem Polizeipräsidium Essen, der Bahnhofsmission, Suchthilfe direkt Essen gGmbH, der Wohnungslosenhilfe Innere Mission Diakonisches Werk Bochum e.V., den Evangelischen Kliniken-Essen Mitte, Irremenschlich Hamburg e.V. und dem Präventionsnetzwerk #sicherimDienst geleitet. In der zweiten Tageshälfte wurden dem Plenum die Ergebnisse der Workshops präsentiert.
Das Schlusswort übernahmen Juliane Böttcher, Leiterin des Gesundheitsamtes Essen und Katrin Steinberg, Psychiatriekoordinatorin der Stadt Essen. Beide zeigten sich mit beiden Fachtagen sehr zufrieden. Der Erfolg einer Fachtagung liegt im Wesentlichen auch an der Aktivität und dem Interesse der Teilnehmenden. Diese sind aus ganz NRW angereist, um sich zu informieren, Ideen zu entwickeln und diese mit in ihre Regionen zunehmen. Für Essen wurden Empfehlungen erarbeitet, die es nun gilt nach Möglichkeit und Ressourcen in die Praxis umzusetzen. Dies wird in Essen gemeinsam mit den Akteurinnen*Akteuren der Arbeitsgemeinschaft zur Planung und Koordinierung der psychosozialen Einrichtungen in Essen (AG PlaKo), sowie der Polizei (und weiteren Behörden) als auch den wesentlichen Gestalterinnen*Gestalter der Wohnungslosenhilfe erfolgen.
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